Höchste Zeit, Honigräume und neue Bienenkästen vorzubereiten. Andreas Bock lebt ganz im Einklang mit dem Lebensrhythmus seiner Bienenvölker. Die orientieren sich an der Natur. Seit 21. Dezember – Wintersonnwende – spüren sie bereits die ersten Signale des Frühlings: mehr Tageslicht, wärmende Sonnenstrahlen und eine Ahnung von erster Blütentracht an Hasel und Weide.
Seit vier Jahren ist der 52-jährige Münchner Imker, seit drei Jahren Demeter-Imker. Als er damals ins Grübeln kam über sein weiteres Leben, war die Imkerei so etwas wie die Vision für das Rentenalter. „Naturverbunden war ich schon immer, aber eher freizeitmäßig“, erzählt er. „Die Synthese von Sinnhaftigkeit, Ökologie und Umwelt, die sehe ich in der Bienenhaltung. Für Nichtgrundbesitzer sind Bienen ja wirklich naheliegend.“ Parallel zu seiner Arbeit in der Fotoredaktion einer Tageszeitung belegte Bock den ersten Imkerkur. „Konventionell ausgerichtet. Da war schnell klar, so will ich das nicht.“ Beim Ausbildungsverbund Mellifera und bei dem Seminar mit den biodynamischen Imkern Günter Friedmann und Michael Weiler sprang der Funke über. „Dort wurde mir eigentlich erklärt, warum ich das machen will“, lacht Andreas Bock. Vor zwei Jahren gab er seine Festanstellung auf. „Ich habe erkannt, dass Imkerei nichts für mein Alter ist. Das Abenteuer beginnt jetzt.“ Damit traf der gelernte Drucker die „sinnigste Entscheidung“ seines Lebens.
Was mit einem bescheidenen Bienenvölkchen begann, wuchs bis Ende 2011 auf immerhin 50 Völker an . 2011 hatte das kleine „Start-up-Unternehmen“ noch neun Wirtschaftsvölker ausgewintert und konnte schon richtig gut Honig gewinnen. Auch die Vermarktung läuft gut. „Wenn du Demeter-Honig anbietest, ist Nachfrage da“, so seine Erfahrung. Die teilt er mit drei weiteren Demeter-Imkern in der bayrischen Hauptstadt. Apropos Stadt: Rund ein Viertel der Bock-Bienen hat seinen Standort in der Stadt, Tendenz steigend. Stadthonig ist ein Trend, längst imkern New Yorker auf Dachterrassen. Andreas Bock weiß: „In den Städten finden die Bienen kontinuierlich ein gutes Nahrungsangebot. Das ist in unserer ausgeräumten agrarindustriellen Landschaft schon längst nicht mehr so.“
Die erste Tracht sind Hasel, Weide, Kornelkirsche und Frühjahrsblüher wie Krokusse, Winterlinge und Schneeglöckchen. Ab April folgen Obstbäume, bald locken die Balkonblumen und Robinie und Linde, die letzte große Sommertracht, an Alleen, in Parks, botanischem Garten und in den Kleingärten. Selbst der wilde Wein an der Hauswand wird angeflogen und schmeckt im gemischten Stadthonig. Sammelbienen haben einen Flugradius von etwa drei Kilometern, da begegnet ihnen durchaus noch Vielfalt. Natürlich wird die Schadstofffrage gestellt. Die Stadtimker verweisen auf vereinzelte Untersuchungsergebnisse aus dem Labor. Belastungen im Honig sind Fehlanzeige. „Honig geht durch 20 Bienenmägen, da ist das Insekt der Filter“, betont Andreas Bock. Und er zählt weitere Pluspunkte der Stadtimkerei auf: garantiert gentechnikfreie Zone, weniger Pestizid- und Herbizideinsatz als in der konventionellen Landwirtschaft, Verbesserungen in Bezug auf Industrieemissionen und Feinstaub. Stadtbienen sind zudem klimatisch begünstigt.
München ist im Schnitt 3°C wärmer als das Umland, geschützt durch Häuserschluchten. Aber Bock fordert auch Forschung: „Kontinuierliche wissenschaftliche Begleitung der Stadtbienen wäre nötig. Tiere und Bienenbehausungen sollen untersucht werden, nicht nur ihr Honig.“ Seinen Völkern geht es gut, sie machen einen gesunden, vitalen Eindruck. Auch die in den Naturschutzgebieten rund um München. Er hat sie von Demeter-Imkern übernommen oder durch Schwarmtrieb vermehrt. „In unserer wesensgemäßen Bienenhaltung steht wirklich die Biene im Mittelpunkt, das ganze Bienenvolk als ein Organismus.“
Durch feine Sinneswahrnehmungen erfährt der Imker, wie es seinen Tieren geht. Zum Winter hat er alle Kästen sorgsam vor Mäusen geschützt, für Futter gesorgt und für Ruhe. In jedem Bienenstock leben im Winter zwischen 5.000 und 15.000 Bienen, im Sommer werden es bis zu 50.000. Die Winterbienen werden im Dezember mit Oxalsäure gegen die Varroamilbe behandelt. Und an föhnwarmen Tagen zieht es die sprichwörtlich fleißigen Insekten nach draußen. „Sie müssen austreten, ihre Kotblase leeren, das würden gesunde Bienen niemals im Bienenstock tun.“ Der Imker nutzt den Bienenflug, um die Kästen erneut zu überprüfen. „Nicht, dass der Specht da angeklopft hat“, erläutert Bock. Winterschlaf halten Bienen nicht, aber sie brauchen Winterruhe. Durch „Fliegen im Leerlauf“ halten sie die Temperatur in der Wintertraube bei 20°C. Exakt zur Wintersonnwende, zur längsten Nacht des Jahres, steigt die Lebendigkeit im Bienenvolk wieder an. Langsam wird die Temperatur hochgefahren und die Weisel – die Bienenkönigin – geht in die Brut. Dafür braucht sie 37°C im Brutnest. Ihre Winterbienen, die ab September auf die Welt gekommen sind, schaffen den Energieschub und sichern so das Überleben der Volks. Die Sommerbienen halten dann den Kreislauf am Laufen, und das in ihrer nur sechswöchigen Lebenszeit in der Hochsaison. Die Sonne weckt die Bienen. Letztes Jahr kam das Signal zum Sammeln Anfang März, drei Wochen früher als „normal“. Der erste Honig konnte dann im Mai geschleudert werden.
Demeter-Imker benutzen kein Absperrgitter zwischen Honig- und Brutraum: „Bei konventioneller Imkerei wird damit verhindert, das die Königin in den Honigraum gelangt. Das vereinfacht die Honigernte. Wir biodynamischen Imker sehen jedoch, wie es natürlicherweise laufen würde. Wir wollen deshalb, dass die Weisel den ganzen Raum durchdringt. Wir nehmen also in Kauf, dass die Weisel manchmal im Honigraum brütet.“ Ja, das Wohl der Biene steht eindeutig im Vordergrund – und Kenner meinen, das schmeckt man dann auch im Honig. Wie interessant Bienen sind, erlebt Andreas Bock in den Gesprächen, die sich im Bekanntenkreis nach seinem Einstieg in ein neues Leben ergeben. „Manche sprechen zunächst von Allergie, andere von Kindheitserlebnissen, Traditionen.“ Und immer mehr Menschen wird bewusst, dass Bienen und andere Insekten überlebensnotwendig für die ganze Menschheit sind.
„Seit Jahren ist immer wieder die Rede vom Bienensterben und fehlendem Nachwuchs der Imker. Gleichzeitig weiß man, dass die Bienen aufgrund ihrer Bestäubungsleistung das drittwichtigste Nutztier des Menschen ist – nach Rind und Schwein.
Jedoch den Wert von Bienen, zu denen letztlich neben Honigbienen auch Wildbienen, Hummeln, Wespen, und Hornissen zählen, auf reine Wirtschaftsleistung zu begrenzen wäre deutlich zu kurz gegriffen, denn Insekten bilden das Rückgrat unseres Ökosystems. Es liegt an uns, ob Bienen überleben und wir uns an der Artenvielfalt in der Natur erfreuen oder sie in den grünen Wüsten einfach verhungern oder durch Nervengifte zugrunde gehen. Die Bienen sind der Spiegel unserer Umwelt. Und stirbt die Biene, stirbt der Mensch, denn ohne Bienen und ihre Insektenkollegen gibt es keine Bestäubung wichtiger Nahrungspflanzen, “ hält Andreas Bock ein ebenso nachdenkliches wie leidenschaftliches Plädoyer für das Überleben seiner Lieblingstiere. Selbst die Pflanzen, die keine Bestäubung durch Insekten brauchen, lassen in ihrer Fruchtbarkeit nach, wenn keine Bienen mehr fliegen, belegen Beobachtungen. In der Natur ist eben allen miteinander verbunden und sinnvoll aufeinander abgestimmt. Das spürt Andreas Bock jetzt intensiver als zu seinen Bürozeiten: „Ich kann mir keine goldene Nase verdienen mit der Imkerei, aber es geht mir hervorragend, besser als je zuvor. Auch wenn ich noch nicht genau weiß, wie es mit meiner Demeter-Imkerei im Aufbau weitergeht, eins steht fest: Was ich in den letzten zwei Jahren gewonnen habe, kann mir niemand mehr nehmen.
Wesensgemäße Bienenhaltung
Demeter-Imkern geht es um wesensgemäße Bienenhaltung. Bereits 1995 einigten sie sich auf die Demeter-Richtlinien: Die Bienenkästen bestehen nur aus natürlichen Materialien, Naturwabenbau ist vorgeschrieben. Die Vermehrung erfolgt aus dem Schwarmtrieb. Flügelbeschneiden ist verboten. Künstliche Königinnenzucht und instrumentelle Besamungen kommen nicht zur Anwendung. Die Einwinterung auf Honig word angestrebt. Als Ergänzungsfutter gilt Bio-Zucker mit mindestens 10 Prozent Honnig. Der gewonnene Honig darf nicht über 35°C erwärmt werden und muss vor dem ersten Festwerden in Glas- oder Metallgefäße abgefüllt werden.
Dieser Artikel erschien im Demeter Journal Frühling 2012.
Vielen Dank an Renée Herrnkind für die Möglichkeit der Veröffentlichung hier im Blog.