Imkern in der Agrarwüste – ein Vortrag von Walter Haefeker

Im Rahmen der Ringvorlesung Umwelt an der TU München hielt Walter Haefeker letzte Woche einen Vortrag zum Thema „Imkern in der Agrarwüste – Landwirtschaft aus der Bienenperspektive“. Haefeker ist als Präsident der European Professional Beekepers Association (EPBA) sowie Vorstandsmitglied im Deutschen Berufs- und Erwebsimkerbunds (DBIB) einschlägig bekannt und der Abend versprach sich zu lohnen.

Einleitend wurde der Begriff „Agrarwüste“ hinterfragt. Landwirtschaftliche Wirtschaftsräume würden seit Jahren durch Monokulturen, fehlende Fruchtwechsel und falsche Politik gefördert. Grüne Agrarwüsten entstünden, die nicht nur ökologische Katastrophen nach sich ziehen, sondern auch in anderen Ausprägungen auftreten. Jüngstes Beispiel hierfür ist die durch verwehten Ackerboden ausgelöste Massenkarambolage auf der A19 bei Rostock im April.

Walter Haefeker betonte in seiner Vorrede, dass die Landwirte nicht als Ursache für diese Entwicklung zu benennen sind, sondern die Bauern selbst Opfer einer unnatürlichen Rahmengebung durch unsachgemässe und lobbygesteuerte Politik seien.

Besonderheiten der Bienenperspektive

Allein die Tatsache, dass 73% der Fauna Insekten sind, führt einem die Wichtigkeit dieser Lebewesen im Ökosystem vor Augen.

Höhlenmalerei Bienen vor 8000 Jahren

Eine Sonderrolle nimmt dabei die Honigbiene ein, da sie schon lange und intensiv von Menschen begleitet und beobachtet wird. Die frühesten Höhlenmalereien, die Menschen bei der Honigernte zeigen, werden auf 6000 v. Chr. datiert. Aber erst seit ca. 100 Jahren wird bei der Gewinnung von Honig nicht mehr das Volk und/oder der Bau der Bienen zerstört.
Würde man die Leistung der Honigbienen nicht nur nach wirtschaftlichen Aspekten betrachten (1 Euro reiner Honigertrag entsprechen etwa zusätzlich 10 Euro Beitrag zur Volkswirtschaft in Form der Bestäubung von Obst und Gemüse), sondern auch die Leistung z.B. für den Erhalt der Biodiversität heranziehen, wären die Bienen auf Platz 1 bei den Nutztieren.

Anders als domestizierte Nutztiere, werde Bienen nicht im Stall gehalten und sind auf freie Rohstoffquellen angewiesen. Mit einem Flugradius von 3km, entspricht dies einer angeflogenen Fläche von 30 ha. Bienen befliegen (landwirtschaftliche) Kulturen, wenn diese Nektar, Pollen, Honigtau, Harz oder Wasser liefern – wobei der Imker keine Kontrolle der Produktionsbedingungen gewährleisten kann. Was in der Kulturlandschaft passiert, hat direkt oder indirekt Auswirkungen auf die Bienengesundheit, auf Qualität und Verfügbarkeit der Bienenprodukte, die Wirtschaftlichkeit der Imkerei, die Zahl der Bienenvölker in der Umwelt und damit auch wieder auf die Bestäubung in der Region.

Somit erschließt sich, warum Landwirtschaftspolitik zwingend immer auch Bienenpolitik ist.

GVOs

A) insektizidbildende Pflanzen
Die so genannten Bt-Pflanzen bilden über das bacillus thuringiensis ein Gift, welches für Insekten tödlich ist. So sollen die Pflanzen vor Fraßschäden geschützt werden. Für Bienen sei dieses Toxin angeblich kein Problem, da Bienen Mais nicht anfliegen würden, weil Mais keinen Nektar liefert. Eine Studie aus der Schweiz belegt jedoch, dass die meisten gesammelten Pollen (übers Jahr betrachtet) vom Mais sind, denn dieser blüht sehr spät und Spättracht, sprich die Spätblüher, wird heutzutage absichtlich mit Unkrautvernichtern weggespritzt.

Auf diesem Gebiet hat auch Prof. Kaatz geforscht und erste Versuche unternommen, die zu dem Ergebnis kamen, dass Völker die Bt-Pollen in den Stock eintragen häufiger erkranken als andere. Diese Versuche wurden dann nicht weiter finanziert und Kaatz äußerte sich in einem Spiegel-Interview so: „Die Leute, die Geld haben, haben kein Interesse. Die Leute, die Interesse haben, haben kein Geld.“ – bis heute wurde die Studie nicht publiziert. Offizielle Informationen findet Ihr hier: http://www.biosicherheit.de/

Laut Haefeker ist die Argumentation der Industrie in Bezug auf die naturnahe Wirkungsweise des bacillus thuringiensis in Pflanzen bewusste Irreführung. Natürliches Bt bildet eine Kristallstruktur, erst bei einem genau definierten pH-Wert im Insektendarm entsteht ein Protoxin (eine noch nicht wirksame Vorstufe des Giftes) und nur im Zusammenspiel mit einem entsprechendem Enzym der „Ziel-Insekten“ entsteht aus dem aus dem Protoxon das tödliche Gift. Die Pflanze hingegen bildet das Toxin direkt, eine gezielte Steuerung von Wirkung/Schonung für Insektenarten ist nicht möglich.
Die Politik und Industrie (eine Verflechtung ist nicht zufällig und/oder unüblich) fordere immer wieder eine Verwissenschaftlichung der Diskussion, Heafeker gibt zu bedenken, dass ausgerechnet die Wissenschaft und damit die „offiziellen“ Aussagen gesteuert würden.

Filmtipp in diesem Zusammenhang „Gekaufte Wahrheit“ (Denkmal Film):

Und hier noch die eineinhalbstündige Expertendiskussion anlässlich der Premiere von „Gekaufte Wahrheit“ u.a. mit Renate Künast (Bündnis90/Grünen), die Protagonistin Susan Bardócz und der Regisseur Bertram Verhaag:


B) herbizidresistente Pflanzen
Auf der Apimondia 2009, dem Imker-Weltkongress, appellierte der Präsident des argentinischen Imkerverbandes an Europa, die derzeitigen Anbaumethoden in Form von gentechnisch veränderten Monokulturwüsten zu unterlassen und keinen Gen-Soja mehr zu importieren, da sonst kein Lebensraum mehr für Bienen bliebe.
Selbst wenn es sich „nur“ um Veränderungen der Pflanzen handle, die die Bienen also nicht direkt schädigen, gilt es auch die indirekte Wirkung einer Pflanze/eines Wirkstoffes zu betrachten. Namentlich nannte Haefeker das Produkt „Round Up“, welches als Paket im Gesamtkontext zu sehen und bewerten sei. Die Frage muss immer lauten: Welche Art von Landwirtschaft wird ermöglicht, ist diese wünschenswert?

Um die öffentliche Diskussion in Deutschland zu beruhigen, würde aktuell die Gentechnik von der Lebensmittelproduktion entkoppelt und nur bei den Energiepflanzen bzw. Futterpflanzen, die nicht so im Zentrum der Aufmerksamkeit stünden, angewandt.
Genau in dieser Auseinandersetzung liegt noch Sprengstoff: Wann sind Lebensmittel durch GVOs verunreinigt, wer haftet, was darf wie verkauft werden?
Die derzeitige Rechtslage besagt: Honig, der Pollen von GVOs ohne Lebensmittelzulassung enthält, ist nicht verkehrsfähig. Die Zeche zahlt also immer der Imker … und die Biene.

Noch anhängig ist ein Verfahren, das als Grundsatzurteil die juristische Basis für Imker bildet soll (mehr Infos dazu hier).

Als Zwischenfazit kann konstatiert werden: die Trennung von Lebensmittelpflanzen und Pflanzen ohne Lebensmittelzulassung ist nicht sinnvoll – Bienen kennen diese Trennung nicht und fliegen an, was verfügbar ist.

Raps, Mais, Grünland
Raps

  • Bienengefährlichkeit (Basis LD 50 Wert) der heutigen Spritzmittel relativ zu DDT etwa 7.000 mal höher!
  • Darum sind Aussagen wie „der Einsatz von Spritzmitteln ist in den letzten X Jahren um Y zurück gegangen“ sinnlos, da Mengenangaben in Tonnen die falsche Einheit seien. Es müsse der besagten LD 50 Wert herangezogen werden.
  • Auch Bienenweidenpflanzen könne durch die Behandlung mit diesen Mitteln zum Problem werden
  • Industrielles Anbausystem im Großem Maßstab funktioniert letztlich nur über hochwirksame Pflanzenschutzmittel

Mais

  • Anbaufläche entsteht oft durch Umbruch von Grünland, vielfältige Blühpflanzen gehen verloren
  • Pachtverteilkämpfe (Biomasse vs. Viehfutter)
  • Problem mit Drahtwurm bei Maisanbau nach direktem Umbruch (statt Anbau mit Fruchtfolge)
  • Bisheriger Negativrekord: Bienensterben im Rheingraben
  • Hohe Rückstände der Neonicotinoide z.B. auch bei Erdbeeren im hoch toxischen Gutationswasser, das durch Verdunstung über die Blätter entsteht –> großes Problem, denn Bienen tragen Wasser in den Stock ein, egal woher dieses stammt

Grünland

  • blühender Löwenzahn wird gemäht, um optimalen Eiweisgehalt des Futters zu erhalten (die Proteine fehlen damit den Bienen)
  • Durch moderne Mähtechnik/-Maschinen werden Bienen verletzt
  • Verwendung spezieller Saatmischungen, um 6 Mähungen pro Jahr zu erreichen
  • Immer intensivere Nutzung, statt Artenreicher und blühender Magerwiesen

Abschließend stellte Walter Haefeker noch zwei konkrete Lösungsansätze vor:

Lösungsansatz 1
Wenn 2012 das Gesetz zur Förderung Erneuerbare Energien (EEG) noveliert wird, sollten auch Blühmischungen für Biogasanlagen zugelassen werden, dies böte der Artenvielfalt und der Nahrungssicherheit für Bienen eine riesen Chance.

Lösungsansatz 2
Mengensteuerung in der Landwirtschaft durch „Abrüstung“ und damit Verzicht auf intensive Produktionsmethoden, dafür aber bessere Qualität und höhere Erzeugerpreise. Extensive Methoden hätten viele sekundäre Vorteile und besäßen eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Berufsimker unterstützen schon heute die Produktion„bienenfreundlicher Milch“ erkennbar durch das Label „Die faire Milch“.

Mein Fazit: der Abend hielt was er im Vorfeld versprach.